von Norbert Schulte, Salzkotten-Upsprunge
Stand:
02. Okt. 2018
Upsprunge
1. Allgemeines
Wie bei einigen Handwerken ist eine traditionelle Ziegelei mittlerweile
nur noch in einem Industriemuseum zu besichtigen. Wie Ziegelsteine früher
hergestellt wurden kann man zum Beispiel im Ziegelmuseum des
Landschaftsverbandes in Lage erleben. Dabei waren Ziegeleien bis vor 50 Jahren
noch in vielen Orten unserer Region in Betrieb und stellten ortsnah das
Material für den Bau von Häusern oder Scheunen her. Prof. Torroja erklärte es
1961 poetisch so, dass „dieses so bildsame und menschliche Material, in welchem
der Lehm sich nach fleißiger Knetung, geschickter Formung und geduldiger
Trocknung sich durch die Wärme des mühsam entzündeten Feuers in Stein verwandelt“.1
Eine Ziegelei konnte nur dort betrieben werden, wo Ton vorkommt, als
eine Tonart allgemein auch Lehm genannt, der magerer,
sandhaltiger Ton ist. Ton finden wir im Bereich des Hellweges und
südlich davon eher als weiter nördlich, wo Kies- und Sandböden überwiegen.
Deshalb weisen Verzeichnisse gewerblicher Anlagen für den Kreis Büren zwischen
1880 bis 1910 Ziegeleien aus, z.B. in Ahden, Oberntudorf, Salzkotten,
Scharmede, Verne, Haaren, Kleinenberg, Lichtenau, Wünnenberg, Siddinghausen und
Upsprunge.
Um 1810 existieren im Hostift 18 Ziegeleien.2
Die Farbe der Ziegel
hängt in erster Linie von den im Ton enthaltenen Mineralien ab. Durch Ton mit Eisenoxyd erhalten die Steine
beim Brand die rote Farbe. Ein hoher Eisengehalt
(rote Eisen (III)-Silikate) führt durch die Oxidation des Eisens zu hell- bis
dunkelroten (braunen) Farbtönen, abhängig von Brenntemperatur und
Brennatmosphäre. Ist der Mangan-Anteil höher werden sie dunkel, auch
wenn sie überhitzt oder sauerstoffarm gebrannt werden.
Ein hoher Kalkgehalt und geringer Eisengehalt führen zu gelben Farbtönen.
Oft war mit einer Ziegelei auch Kalkbrennerei verbunden. Aus der Nähe
gebrochene Kalksteiene wurden im Ofen gebrannt, herausgezogen und mit Wasser
bespritzt, durch dass sich der Stein zu losem Branntkalk auflöste und zum
Düngen, Weißeln oder Mauern verkauft wurde. Es gab aber auch spezielle große
Kalköfen, wie z.B. südlich Upsprunges vor Holtkamp oder in Bosenholz, später
Jürgens.
Andere „Industrien“ außer den üblichen Handwerksbetrieben zur Deckung
des dörflichen oder kleinstädtischen Bedarfs gab es selten. So werden 1818 für
den Canton (Amt) Salzkotten nur drei „Fabriken“ gemeldet: „Die Saline in
Salzkotten, die Ziegeley und Kalkbrennery zu Upsprunge und sechs
Branntweinbrenneryen in Salzkotten und Upsprunge.“3 Handel hatte zu der Zeit noch keine Bedeutung.
2. Feldbrennereien
Vorreiter der kontinuierlichen Ziegeleien waren sogenannte periodische
Feldbrennereien. Dort, wo ein Hof gebaut werden sollte und in der Nähe
geeigneter Ton vorkam, wurde ein Ofen gebaut, das Material abgestochen, geformt
und an Ort und Stelle mit 900 – 1.000 Grad gebrannt. Man nannte sie
„Backsteine“ im Unterschied zum bisher verwendeten Naturstein aus örtlichen
Steinbrüchen. War der Auftrag erledigt, zogen die „Wanderziegler“ weiter. So
ist bekannt, dass für den 1899 bezogenen herrschaftlichen Hof Neise diese
Wander-Ziegler außerhalb der Wintermonate 1896 - 1898 in der Nähe, evtl. aus
der Fläche von Alpmann, Lehm gestochen und die benötigten Steine hergestellt
haben. Vielleicht war dies auch für Gutsbesitzer Franz Alpmann der Anstoß, eine
Ziegelei zu bauen.
Ziegeleibetreiber waren in fast allen Fällen Ziegelerkolonnen mit
Ziegelmeister und Ziegelern aus dem „Fürstenthum Lippe“. Durch den Niedergang
der Heimarbeit beim Spinnen und Weben und fehlende andere Arbeit in Industrie
und Gewerbe verließen viele Männer jedes Frühjahr notgedrungen ihre Dörfer, um
die Familien zu ernähren. Viele spezialisierten sich auf Ziegelherstellung,
andere gingen zum Torfstechen und zum Grasmähen bis nach Holland. Sie kehrten
erst zum Wintereinbruch wieder heim. Um 1900 waren es mehr als 14.000 lippische
„Migranten“, 40 % der Männer.4
Näher betrachtet werden sollen die Ziegeleien in Upsprunge und der
nächsten Umgebung.
In Upsprunge gab es zwei Epochen einer örtlichen Ziegelei.
3. Erste Ziegelei in
Upsprunge
Die erste Ziegelei ist nachgewiesen für die Zeit von 1814 bis 1845, als
Upsprunge 60 Häuser und 360 Einwohner hatte. Offensichtlich nahm sich die
Gemeinde der Herstellung von Ziegelsteinen und Dachziegeln unter dem
Gesichtspunkt des Brandschutzes an. Die Bauhandwerker sollten für die Wände
oder wenigstens zur Ausmauerung der Gefache Backsteine anstelle von
Lehmflechtwerk verwenden und anstelle der Strohbedachung Tonziegel. Damit kam
zu den Zimmerleuten und Dachdeckern nun der Maurer hinzu. An dieser
Gemeindeziegelei war die Stadt Salzkotten mit 1/3 beteiligt.
Nach dem im Nachlass Schilling gefundenen Vertrag von 1814 pachteten die
Ziegelbrenner Heinrich Schöttler und Sohn Hermann aus Lippe für 20 Jahre den
Gemeindeplatz von 3/8 Morgen am „Bürenschen Weg“ und bauten auf ihre Kosten die
Ziegelhütte.
Für die Einwohner Upsprunges waren Vorzugspreise vereinbart. Schöttlers
beschäftigten sechs Arbeiter, diese verfertigten jährlich 24.000 Mauer- und
40.000 Dachsteine (Hohlpfannen) sowie ungefähr 600 Scheffel Kalck. Den Betrieb
scheinen Schöttlers aber 1833 aufgegeben zu haben, denn die nach der Chronik
und dem Protokollbuch Upsprunge kauften die Gemeinden die Gebäude für 318
Thaler und betrieben ihn wohl mit einem anderen Pächter weiter, ab 1846
Upsprunge allein. Um 1854 wurde der Betrieb eingestellt und 1856 die Gebäude
nebst Dielen zum Abbruch verkauft. 70 Jahre später verkaufte die Gemeinde das
809 qm große Grundstück an Heinrich Ilse Haus Nr. 80. Mit Hilfe des
Katasteramtes konnte jetzt die genaue Lage ermittelt werden: eine lang gezogene
dreieckige Fläche an der Bürener Straße von den heutigen Häusern Nr. 46 bis 62.
4. Arbeitsgänge im
Einzelnen, Formate, Feierabendziegel, Brennmaterial
Die Herstellung war zu der Zeit schwere Handarbeit: Zunächst wurde Lehm
gegraben, aufbereitet, zu Ziegeln geformt und getrocknet, die Ziegel gebrannt,
dazwischen interner Transport und abschließend zum Kunden. Im Einzelnen:
Mutterboden entfernen, steinfreien Lehm/Ton bis zu drei Spatentiefe
stechen, am besten schon im Herbst, auf einer flachen Halde überwintern lassen,
damit der Frost das Wasser auftreibt und der Ton für eine einfachere
Aufbereitung zerbröselt. Den Ton von Verunreinigungen und Steinen säubern, mit
einer Lore auf Schienen zur Ziegelhütte fahren, einsumpfen, d.h. mit Wasser
vermischen, den Lehmteig gründlich kneten. Hierfür wurden erst Pferde
eingesetzt, die darauf stampften, später in einem Mischgöpel, wobei das Rad
einer Karre sich durch ein im Kreis laufendes Pferd drehte.
Der so aufbereitete Lehm wurde erst noch in einer Tonmühle aufbereitet
und kam dann auf den Streichtisch, der beim Trockenschuppen stand. Der Ziegler
drückte ihn in nass gemachte Holzmodel oder Rahmen, mit einer Kuchenform
vergleichbar, unter die er vorher Sand streute, damit sich der Ton wieder löst,
strich ihn oben mit einem Streichbrett glatt, hob den Rahmen hoch, brachte ihn
damit zu einer Lagerfläche und kippte den Rohling dort zum Antrocknen ab. Nach
einiger Zeit transportierte ein Arbeiter sie mit einer Holzschubkarre ab in die
Regale des Trockenschuppens, wo sie zwei bis vier Wochen – je nach Witterung –
zum Trocknen lagerten. Dann wurden sie in den Kammerofen gestapelt und nach dem
Aufheizen bei 900 – 1.000 Grad 48 Stunden gebrannt. Das Personal arbeitete oft
im Akkord, ein Ziegelstreicher konnte am Tag 1.000 Ziegel schaffen. Waren die
Ziegel nach drei Tagen abgekühlt, holten die Arbeiter die fertigen
Handstrichziegel und füllten den Ofen neu. Pferdegespanne hiesiger Bauern brachten
die Ziegel zu den Kunden nach Salzkotten, Tudorf, Geseke, Brenken usw.
Früher gab es verschiedene Ziegelformate. Von 1870 bis 1952 richteten
sich die Ziegler nach dem Reichsformat von 25 x 12 x 6 ½ cm. Aber an alten
Außenmauern kann man in Upsprunge kleine Abweichungen in der Länge und Höhe
feststellen.
Tradition war, dass der Ziegelmeister am Ende eines Tages im noch
frischen Lehm des geformten Dachziegels eine Botschaft hinterließ, indem er
Initialen hinein ritzte, die erst nach einem Jahrhundert oder noch später
entdeckt wurden. Ein paar Exemplare der sogenannten Feierabendziegel hat vor
Jahren Ing. Rudolf Keuper entdeckt: „Verfertigt von Adolf Meise aus Marienloh
auf der Ziegelei im Berglar bei Salzkotten 27. September 1874“
Brennmaterial war Jahrhunderte Holz. Steinkohle löste etwa 1850 Holz
oder auch Torf ab. Das zum Brennen benötigte Holz sollten
Schöttlers nicht aus den Wäldern kaufen, aus denen auch die Sälzer zum Sieden
Brennholz bezogen, diese durften dadurch keine Nachteile erleiden.
4. Ziegelei Striepen,
Grenze Ahden/Upsprunge
Nach dem Ende der Gemeindeziegelei wird in den folgenden Jahren die
Ziegelei in der Gemarkung Ahden, Flur Striepen am Waldrand an der Grenze zu
Upsprunge, den Bedarf gedeckt haben. Sie entstand 1856 als Kalk- und Ziegelbrennerei
durch den Ahdener Bauern Heinrich Büker, genannt Schulte, und bestand aus einem
Ziegelofen, zwei Trocknungsschuppen, davon einer mit Wohnung und Anbau als
Pferdestall, drei Tonmühlen, zwei Cisternen, einem Steinbruch, einer Fläche zum
Lehmabstich und Gleisanlagen von 300 m mit Kippwagen. Pächter war seit 1886 der
Ziegelmeister Wilhelm Reineke aus Feldrom/Lippe. Der Betrieb produzierte
Backsteine, Dachziegel und Drainageröhren sowie Kalk zum Düngen und Mauern. So
lieferte er auch 1895/96 den Mauerkalk für den Kirchbau in Upsprunge. Es waren
wiederum 10 Wanderziegler aus Lippe, davon 7 Ziegler, 1 Heizer und 2 Knechte.
1889 verkaufte Büker die Ziegelei mit dem gesamten 58
Morgen großen Ackerplan an Dietrich Freiherr von und zu Brenken. 1906 wechselte
der Pächter von Reineke zu Otto Schulz, aber schon 1908 endete der
Ziegeleibetrieb, der einige Jahre zuvor wohl nur noch Drainagerohre produziert
hatte.
5. Zweite Ziegelei in
Upsprunge
Von 1902 bis 1903 übernahm Reineke auch den Betrieb der Ziegelei in
Upsprunge, die Bauer Franz Alpmann 1901/02 am sog. Milchwege, heute Melkeweg,
erbaut hatte, um lt. Chronik „so den Mangel an Baumaterial für hiesige Gemeinde
und Umgebung zu beheben. Sie wurde auf den Namen Phönix getauft“. Gebaut wurde
ein Ofenhaus von 27 x 15 m mit einem Doppelofen und 12 m hohen
Schornstein, 25 m vom Weg entfernt, ein 30 x 10 m großer Trockenschuppen, ein
weiterer großer kam später dazu. Im neuen Wohnhaus waren das Büro und bis zu 12
Arbeiter aus Lippe und vom Ort untergebracht zum Essen, Schlafen, Waschen,
Lesen und zur Geselligkeit, nach heutigen Maßstäben erbärmlich. Sie wollten
aber viel verdienen und waren als Lipper sehr sparsam. Sie arbeiteten von 4 Uhr
morgens bis ½ 9 Uhr abends, dazwischen war ihnen nur eine halbstündige Frühstücks-,
eineinhalbeinstündige Mittags- und halbstündige Abendbrotpause gegönnt.
Die Produktion des Phönix lag 1903 schon bei
rd. 350.000 Ziegel und 1.800 Centner Kalk pro Jahr. Der Ton wurde aus der
südlichen Fläche gestochen und in einer Lorre über bis zu 60 m lange
Gleise zur weiteren Bearbeitung in der Tonmühle transportiert, aber nicht mehr
im Herbst zum Überwintern.
Ab 1904 produzierte Alpmann mit Hilfe von lippischen Zieglern und
angelernten Upsprunger Männern selbst, modernisierte den Betrieb, als er neben
Bäcker Hake als erster eine „Sauggasanlage“ installierte, um durch einen Motor
Maschinen zum Mahlen des Korns und Pressen der Ziegelsteine durch
eine neue Ziegelpresse und Walzwerke anzutreiben. 6 7
6. Technik des Ringofens,
von der Handstrich- zur Maschinenziegelei
1908 investierte er in einen neuen ovalen „Hoffmannschen Ringofen“ von
27 x 13 m, ein weiterer Schritt zur Maschinenziegelei. Er sparte 2/3 der
Brennstoffmengen und konnte wesentlich mehr produzieren, arbeitete also
wirtschaftlicher als der traditionelle „Kasseler-Flamm-Ziegelofen“. Der
Ringofen bestand aus dem Brennkanal, dem Rauchsammler, der Schürebene und dem
erhöhten Schornstein. Der Brennkanal bei Alpmann war unterteilbar in 12
Kammern, die von außen eine Öffnung zum Beschicken hatten und beim Brennen
innen und außen zugemauert waren. Das Feuer wurde einmal im Jahr, im Frühjahr,
in der ersten Kammer auf einer Roste entfacht und die
Temperatur auf 900 – 1.000 Grad gehalten. Ein erfahrener Ziegelmeister brannte
bei 980 Grad und erkannte ohne Hilfsmittel an der Farbe der Glut, wann dieses
erreicht ist. Gleichzeitig wurde die gegenüber oder nebenan liegende Kammer
erhitzt, so dass in 24 Stunden Ziegel in zwei Kammern gebrannt waren. Dann
wurde durch den Luftzug das Feuer in die nächsten zwei Kammern gelenkt, nachdem
das abschirmende Fettpapier abgebrannt war. Heizer warfen Tag und Nacht Kohlen
durch die Schürlöcher der Ofendecke zwischen die Ziegelstapel, um die
Temperatur zu halten. Durch die hohe Temperatur der Rauchgase entzündete sich die
eingefüllte Kohle. Jede Kammer hatte Verbindung zum mittig stehenden Kamin.
Wichtig war der Zug zum Schornstein und die Technik
der zugeführten Luft zu beherrschen, denn ohne Sauerstoffzufuhr kann nichts
brennen und keine Glut entstehen. Durch eine ausgeklügelte Be- und Entlüftung
der unterirdische Kanäle erwärmen die gebrannten
Ziegel die Zuluft für das Feuer, was diese schnell abkühlen lässt, während die
heißen Abgase die Rohlinge nebenan noch trocknen und vorerhitzen. So wanderte
das Feuer in etwa 10 Tagen durch die Kammern des Brennkanals, und dann begann
das Brennen der nächsten Runde. Waren die ersten Ziegel abgekühlt, wurde die
Kammer geöffnet, ausgeräumt und wieder mit neuen Rohlingen gefüllt. Dadurch
konnte ständig produziert werden, von sonntags bis samstags, vom Frühjahr bis
zum Herbst.8
Da der Ringofen große Mengen brennen konnte, gab es für die Herstellung
der Rohlinge inzwischen auch Maschinen, z. B. den Kollergang als Rührmaschine
aus schweren Eisenrädern, Walzwerke zum Feinwalzen, Strang-Schneckenpresse mit
Mundstück als Tonpresse zur Formung eines endlosen Stranges in verschiedene
Formate, Tonabschneider. Der Ton wurde damit auch nicht mehr im Herbst für das
nächste Frühjahr gestochen.
7. Plückebaum wird Pächter
und Ende der Ziegelei Alpmann
Erst 1910 verpachtete Alpmann die Ziegelei wieder, und zwar an den
Ziegelmeister Meinolf Plückebaum aus Bökendorf, der mit seiner Familie in das
Wohnhaus zog. Er war vorher in Essen auf
einer Zechen-Ziegelei tätig, die die Steine für ihre Schächte etc. selbst
herstellte. Als 1914 der Weltkrieg ausbrach und mehrere Arbeiter Soldat werden
mussten, aber auch die Nachfrage nach Steinen durch den Krieg sank, kam der
Betrieb 1915 zum Erliegen und 1916, nach dem Brennen noch 250.000 lagernder
Rohlinge, das endgültige Aus, wohl auch deswegen, weil der Vorrat an Ton/Lehm
dort erschöpft war und zuletzt schon Material aus der Lehmkuhle oberhalb der
Frieth herangefahren werden musste. Plückebaum konnte mit zwei Söhnen in der
Ziegelei Töpker in Salzkotten unterkommen. Nachkommen Plückebaums wohnen heute
in Upsprunge, Salzkotten und Delbrück, die noch über Details berichten konnten.
Der Ringofen mit Schornstein wurde noch vor 1920 abgerissen, die Schuppen verfielen
und wurden in den 1930er bis 1950er Jahren abgebrochen. Die Kuhle ist heute
noch – im Gegensatz zur damaligen Gemeindeziegelei – zu erkennen. Damit endete
die Ziegel- und Kalkherstellung in Upsprunge. Einziges bekanntes Relikt ist das
Wohnhaus. Sicher wird es noch einige Gebäude in Upsprunge und der Umgebung
geben, deren Ziegel von hier stammen.9
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8. Ziegeleien in der
Umgebung
8.1. Ziegelei Verne
In der Umgebung gab es eine weitere Ziegelei: die der Familie
Schierenberg in Verne-Enkhausen an der Landstraße nach Verlar. Gründer war
Wilhelm Schierenberg aus Brake bei Horn in Lippe im Jahre 1875, um vor allem
Verne mit Enkhausen und andere naheliegende Ortschaften zu versorgen. Sie
produzierte bis 1911. Die Gebäude wurden in den 1970er Jahren abgerissen und
die Fläche renaturiert.10
8.2. Ziegeleien in Scharmede
In Scharmede entstand in den 1820er Jahren eine Gemeindeziegelei, die
ebenfalls an Lipper verpachtet war, aber wegen schlechtem Zustand der Anlage
und fehlenden Tons 1852 stillgelegt und abgebrochen wurde. Daneben entstand vor
1840 die Ziegelei Ferlings. Auch hier waren lippische Fachleute im Einsatz,
Ferlings war nur für Transport und Verkauf zuständig. 1896 produzierte sie
300.000 Ziegelsteine, 15.000 Dachziegel, 10.000 Drainagerohre und 300 Scheffel
Kalk. Aus diesen weißgelben Steinen mit
geringem Eisengehalt sind u. a. das Leokonvikt in Paderborn und das Mutterhaus
der Franziskanerinnen in Salzkotten gebaut worden. Durch den Konkurrenzdruck
großer Paderborner Ziegeleien kam der Niedergang und 1906 das Ende.11
8.3. und 8.4. Ziegeleien Töpker
in Marienloh/Oberntudorf und Salzkotten
Vielen sind noch die Ziegeleien der Familie Töpker an der Straße nach
Oberntudorf und in Salzkotten im Berglar bekannt. Ursprung ist die Ziegelei in
Oberntudorf, die 1927 als „Tudorfer Tonwerk“ ihr 100-jähriges und 1952 ihr
125-jähriges Bestehen feierte, also auf die Gründung 1827 zurückgeht. Zuvor
gehörte das Land dem Bauern Johann Tölle, Oberntudorf 27, seit 1838 in
Weltsöden. 1854 kauften die Brüder Adolf und Simon Meise aus Wilberg bei
Detmold die Ziegelei. Ihr Vater Friedrich Meise betrieb schon seit 1828 eine
Ziegelei in Marienloh an verschiedenen Standorten. 1918 endete nach 350 Jahren
das Gewerbe des Ziegelbrennens in Marienloh.12 Bei der Trennung 1859
erhält Simon die Ziegelei in Marienloh und Adolf die in Oberntudorf. Adolf
pachtete 1864 noch eine Ziegelei in Salzkotten, Berglar, an, die schon seit
seit 1835 existierte.
Sein Schwiegersohn Simon Töpker aus Niederschönhagen bei
Detmold erbte bzw. kaufte 1886 von ihm die Ziegeleien in Oberntudorf und in
Salzkotten auf städtischem Land mit Austonrechten und investierte 1900 in einen
Ringofen mit neuem Schornstein. 1907 verkaufte er die Ziegelei (alle Gewerke)
an seinen ältesten Sohn Hermann Töpker. Dieser kaufte 1909 die gepachtete
Fläche von der Stadt Salzkotten. In der nächsten Generation ging die Ziegelei
in Salzkotten über Sohn Hermann 1949 an den Enkel Dr. rer. nat. Hermann Töpker. Im Jahre 1937 waren dort 25 Arbeiter beschäftigt, damals der fünftgrößte
Betrieb Salzkottens.
Nach 1950 stellten sie nur noch Ziegelsteine als Voll- und Gitterziegel
und Schutzrohre für Erdkabel her. Die Nachfrage war 1956, als sie 18
Beschäftigte hatte, noch größer als sie produzieren konnten. Deshalb stellte
Töpker noch 1961 italienische Gastarbeiter ein. Aber 1965 stellte er den
Betrieb ein, da das Tonvorkommen – der mittlerweile schon aus einer mehr als
ein km entfernten Grube (heute große Solaranlagen, neben Plonka) mit einer von
einer Diesellokomotive gezogenen Schmalspur-Feldbahn herbei gefahren werden
musste – zur Neige gegangen war, die Konkurrenz durch moderne Baustoffe zunahm
und deshalb das Risiko zu groß war, an anderer Stelle mit einer neuen Tongrube
zu beginnen.
Die Stadt kaufte 1970 das Gelände von 18.000 qm und verkaufte es an die
Deutsche Gerätebau (Feg), die dort eine Werkshalle für glasfaserverstärkte
Behälter errichtete, sowie einen Teil an die Firma Wego, heute Perimeter.
Die Ziegelei in Oberntudorf erbte 1907 Sohn Gustav, danach dessen Sohn
Alfred und schließlich der Enkel Alfred Töpker. Die Ehe blieb kinderlos. 1969
stellten sie den Betrieb ein. Pasel & Lohmann übernahm Ziegeleiarbeiter,
ebenso wie vorher von Töpker Salzkotten.13
8.5. Ziegelei Henze in
Salzkotten
Daneben gab es noch eine große Ziegelei der Familie Henze „hinter dem
Bahnhofe“. 1878 kaufte Daniel Henze eine Dampfsägemühle aus der Konkursmasse
des Josef Borren vom Niederrhein. Sein Sohn Ferdinand schuf daraus eine
Dampfziegelei mit zwei Ringöfen, die 1890 in Betrieb ging. Er forschte aber
auch wissenschaftlich, erfand ein explosionssicheres Gefäß und gründete 1899
die Firma Henze & Cohn. Durch die Expansion der „Feg“ musste die Ziegelei
1910 für den Bau von Werkshallen weichen.14
8.6. Ziegelei Pasel &
Lohmann in Alfen
Die letzte Ziegelei aus der Nachbarschaft war die Ziegelei Pasel &
Lohmann in Alfen an der Salzkottener Straße. Sie wurde 1889 von vier Alfener
Grundbesitzern als Pasel & Cie gegründet, hieß seit 1946 Pasel & Lohmann
und stellte früher zu 80 % überwiegend Dachziegel mit Doppelfalz aus Ton her
mit Zugabe von etwa 1/4 Lehm wegen der roten Farbe. In guten Jahren waren es
bis zu 9.000 Stück pro Tag, die 100 Jahre und mehr hielten, und heute noch auf
wenigen Dächern hängen. Aber 1960 wechselten sie auf Gitterziegel-Steine als
Hintermauerstein als Antwort auf die neuen Baustoffe.
Das Unternehmen modernisierte stetig, Spezialmaschinen kamen schon seit
Jahrzehnten zum Einsatz, wie Ziegelpresse für Steine und Dachziegel, Strangpresse,
Schneckenpresse, Ziegelabschneidetisch. Ab 2005 produzierte sie Planziegel und
Gitterziegel mit hohem Dämmwert.
Ein vollautomatischer 80 m langer Tunnelofen als Nachfolger des
Ringofens, durch den die Rohlinge auf Ofenwagen langsam durchfahren und beim
Vor- und Hauptfeuer gebrannt werden, schaffte seit 1980 eine wesentlich größere
Menge Ziegel. Zuletzt wurden 150 to gebranntes Material
mit fünf Beschäftigten pro Tag hergestellt. Als Brennmaterial kamen im Laufe
der Zeit zum Einsatz Kohle, Petrokoks, dann Leichtöl und zum Schluss Gas.
Ende 2015 produzierte Pasel & Lohmann die letzten Steine.
Eingestellt wurde die Produktion wegen Fachkräftemangel, hohem Aufwand zur
behördlich verlangten Dokumentation und wegen der aus heutiger Sicht geringen
Größe und damit der Rentabilität. Rohstoff gab es noch genug.15
8.7. Ziegelei
„Friedrichshütte“ in Alfen
1956 hatte die Firma Pasel & Lohmann die nebenan liegende sog.
Friedrichshütte erworben und noch bis 1967 parallel betrieben, dann aber aus
wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Sie war von dem 1832 geborenen Friedrich
Töpker gegründet worden, der erst eine Ziegelei auf der Wilhelmsburg bei Wewer
hatte, und dann vom Sohn Karl fortgeführt.16
9. Weitere Ziegeleien im
Hochstift und außerhalb
Zurzeit existieren noch zwei Ziegeleien im Hochstift: Lücking (Inhaber
Tater) in Warburg-Bonenburg und noch eine Ziegelei in Steinheim, außerdem noch
eine in Kalletal im Kreis Lippe, beide von der Firma Bergmann.17
Eine noch große Ziegelei existiert in Rietberg-Westerwiehe, Firma
Rehage, die heute zum Wienerberger-Konzern gehört. Sie fertigte früher
hauptsächlich Drainagerohre, Abdeckungen für Telefonkabel für ganz Deutschland,
seit langem nur Gitterziegel (Lochsteine).
10. Ziegeleisterben,
Automatisierung und Groß-Ziegeleien
Ein Grund des Ziegeleisterbens war auch, dass in den 1960er Jahren
andere preisgünstigere Mauersteine wie Kalksandsteine, großformatige
Hohlblocksteine aus Beton oder Bims oder Gasbeton, oder Dachpfannen aus Beton
mit 30 jähriger Garantie auf den Markt kamen. Aber: Seit 20 Jahren hat der
Tondachziegel andere Dachbaustoffe fast ganz wieder vom Markt verdrängt.
Auch bei den Ziegeleien ist ein radikaler Wandel eingetreten – von der
personenintensiven, kräftezehrenden Handarbeit über die automatisierte Fabrikarbeit
zum Kommandostand eines prozessgesteuerten Ziegelwerkes. Durch den zunehmenden
Maschineneinsatz wurden Ziegelstreicher und Karrenschieber überflüssig,
Diesel-Lokomotiven ersetzten das Pferd. Das Berufsbild des Zieglers hat sich
enorm wandelt, z. B. zum Elektroniker, IT-Fachmann.
Wie in vielen Bereichen setzte ein harter Konkurrenzkampf ein und führte
zu einer Konzentrierung auf wenige große Ziegeleien. Während 1885 die Zahl noch
bei 17.000 in Deutschland lag, sank sie in der BRD bis 1985 auf 3.600, obwohl
gerade nach dem 2. Weltkrieg ein großer Bedarf an Baumaterial entstand. Heute
gibt es noch 110 meist große Unternehmen, die aber etliche Produktionsstätten
haben.18
Quellennachweis /
Anmerkungen:
1 Erwin Rupp und Günther
Friedrich, Die Geschichte der Ziegelherstellung, hrsg. Bundesverband der
Deutschen Ziegelindustrie, Bonn 1993, S. 6
2 Kreisarchiv Paderborn, Bür A 3217, A
717; Alfred Heggen in „Das Hochstift im Königreich Westfalen 1807 – 1813,
15/1984
3 Stadtarchiv Salzkotten, B 145
4 Bericht in
„Westfälisches Volksblatt“ vom 9. Januar 2018, Nr. 7/2018
5 Archiv
Erpernburg, IX 507 - IX 509; Stadtarchiv Büren 704, 705, 707 und 640
6 Stadtarchiv
Salzkotten, B 687c, B 994
7 Burkhard Beyer,
Verzeichnis der Ziegeleien in Westfalen und Lippe 1905 – 1953, hrsg.
Historische Kommission für Westfalen, Münster 2017
8 Mündliche Informationen:
Ziegeleimuseum Lage, Ziegelmeister Josef Lohmann, Alfen, und verschiedene
Literatur
9 Mündliche
Informationen: Eduard Plückebaum, Delbrück; Stadtarchiv Salzkotten 687g;
Auskünfte der Stadtverwaltung
10 Kreisarchiv Paderborn, A 3217;
Stadtarchiv Salzkotten B 994; mündliche Informationen: Hubert Schlephorst,
Anton Stukenberg, Helmut Schulte, alle Verne; Auskünfte der Stadtverwaltung;
umfangreiche Familiengeschichte beim Verfasser
11 Heinz-Josef Claus, Ziegeleien in
Scharmede, in: 1000 Jahre Scharmede“, hrsg. Bürger- und Heimatverein Scharmede
2014, S. 487 - 497
12 Bericht in „Neue Westfälische“ vom 12.
Juni 2018 und Beitrag Andreas Winkler „Alte Bauernhöfe und Hausstätten in
Marienloh“ in Heimatbrief Marienloh Nr. 47, hrsg. AG für Heimatpflege und
Geschichte, Juli 1999
13 Mündliche Informationen: Wolfgang
Töpker in Gettorf, Reinhard Nolte in Oberntudorf; Burkhard Beyer,
Industriebahnen im Kreis Paderborn, Teil 4: Ziegeleien in Salzkotten, in
Drehscheibe-online, Foren;, 2015; E. v. Sobbe, Chronik
der Stadt Salzkotten, hrsg. Hans Kohlenberg, Bd. 23, S. 132, und (Carl Weber)
Bd. 27, S. 25, 38. 147.
14 E. v. Sobbe, Bd. 20, Seite 79, 141;
Hans Kohlenberg, Salzkotten, Ein Rückblick zum Nachdenken, S. 152, 153.
15 Mündliche
Informationen: Ziegelmeister Josef und Klaus Lohmann, Alfen.
16 Wie
Anm. 15
17 Wie
Anm. 15
18 Bundesverband
der Deutschen Ziegelindustrie, Berlin 2018; umfangreiche Datensammlung
Dokumentation aller behandelten
Ziegeleien beim Verfasser.